Bericht 2019

Demokratie – Herausforderung und Chance
„Wir sind eine angegriffene Demokratie“


Weidenberg - „Demokratie- und Werteerziehung ist äußerst wichtig. Leider wird dies durch Vorfälle wie in Halle so deutlich“, begrüßte BLLV-Bezirksvorsitzender Henrik Schödel zum 36. Lehrertag des BLLV-Oberfranken in Weidenberg. „Es wird künftig immer wichtiger.“ Allzu viele Berichte in den Medien zeigten wie wichtig Demokratieerziehung in unserer Schule, in unserer Gesellschaft ist. „Gerade wir Lehrerinnen und Lehrer müssen uns ganz stark machen für dieses Thema!“ Viel wichtiger als Fächer wie Deutsch, Mathematik und andere für sich. „Wir können Kinder von klein an sensibilisieren.“

„Das Motto des Lehrertags könnte nicht aktueller sein“, bekräftigte seitens der Regierung von Oberfranken Bereichsleiter Stefan Kuen. Es seien gerade die Schulen, die gesellschaftliche Werte vermitteln könnten. Damit solle eine junge Generation geprägt werden, um mit dieser in eine gute Zukunft zu gehen. Die heutigen Informationsquellen seien vielfältiger, aber auch manipulierbarer geworden. „Die Wertschätzung der Demokratie ist in den letzten Jahrzehnten oder auch nur Jahren weitaus differenzierter geworden.“ Umso anspruchsvoller sei es, Demokratie anzunehmen. Nur durch aktive, wissende, kritische Mitglieder unserer Gesellschaft können wir uns schützen vor den Schwachstellen der Demokratie.

Angesichts einer Verrohung von Sprache, gerade in den sozialen Netzwerken, angesichts Pegida und Islamismus gibt es viele Anzeichen die fühlen lassen irgendwie ist unsere Demokratie ist angegriffen, stellte der Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnen-Verband Dr. Fritz Schäffer als Hauptreferent beim oberfränkischen Lehrertag fest. Wie kann eine demokratische Schule aussehen? „Wir sind eine angegriffene Demokratie.“ Nicht nur von Pegida und rechts, auch von Islamisten. Nach 70 Jahren müssen wir uns besinnen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass man sich einsetzen muss. „Wir müssen die Chance nutzen, Schülerinnen und Schüler zu mündigen Staatsbürgern zu erziehen, zu Demokraten.“ Das Volk sind wir alle, nicht nur diejenigen die das rufen. Dies war ein toller Slogan von Bürgerrechtlern gegen einen totalitären Staat. Wir müssen miteinander in Austausch kommen, haben ein pluralistisches System. Niemand darf beanspruchen dass seine Ansicht die des Volkes sei.

Kompromisse sind mühsam aber sehr wertvoll. In der Schule muss Demokratie erlebbar werden. Demokratie bedeutet nicht dass meine Meinung voll umgesetzt wird. „Wir sind viele.“ Demokratie muss erlebbar werden etwa durch Klassenrat oder Schulversammlung. Die einzelne Schulklasse ist der erste Ort an dem Kinder Demokratie lernen können. Politische Bildung ist mehr als Institutionenlehre. Sie muss auch lebensweltorientiert sein. Wir müssen die Medienkompetenz stärken. Digitalisierung bedeutet nicht nur, technisch Bescheid zu wissen. Das eigene Medienverhalten kritisch zu durchdenken. Aber auch nicht nur Gefahren erkennen sondern auch Chancen der neuen Medien nutzen. Neue Medien sind Chance und Gefahr.

Politik müsse zum Thema im Unterricht werden. Brexit, Anschläge, Krieg in Syrien – es gibt viele Themen die Schülerinnen und Schüler mitbekommen. Sie sollten sich auch in Schule über so etwas informieren und austauschen, auch unterschiedliche Meinungen erleben. Politisch brisante Themen in den Unterricht holen. Lehrer müssen sich gegen Einschüchterungsversuche wehren. Sie sollen Themen ansprechen aber nicht in bestimmte inhaltliche Richtung drängen. Alles was öffentlich kontrovers diskutiert wird muss so im Unterricht behandelt werden, dass die Kontroversen deutlich werden. „Wir haben die Verpflichtung die freiheitlich demokratische Grundordnung zu verteidigen.“ Menschenfeindliche, undemokratische Argumentationen müssen als solche angesprochen werden. Natürlich ist es eine Gratwanderung, die Mut, Professionalität und Fingerspitzengefühl bedarf.

Der BLLV hat viele Forderungen an die Politik. Auch Schulleitungen und Schulverwaltung müssen Vorbild sein. Menschen werden immer ihr konkretes Handeln ausrichten nach dem System in dem sie handeln. Unbewusst richten Menschen ihr Verhalten aus wie ein System funktioniert.

Im heutigen System von Schule sind Noten enorm wichtig. Bewertungsfunktionen wirken sich auf das Verhalten von Eltern und Schülern aus. Das System Schule muss sich zur demokratischen Schule verändern. Kernaufgabe von Schule ist heute vor allem Lernen von Lehrplaninhalten, Abprüfen und Zertifizieren. Anderes muss in Kern von Schule aufgenommen werden. 14 überfachliche Lernziele sind im Lehrplan. Fachliches Lernen ist durchaus wichtig. Aber die Dominanz von fachlichem Lernen muss gebrochen werden. Schäffer forderte Freiräume für andere Dinge. Es gibt zu wenig Zeit für echte demokratische Erziehung.

Notwendig ist eine Aufwertung des überfachlichen Prinzips Demokratie und eine Stärkung der politischen Bildung. Bayern ist Schlusslicht in Sachen politischer Bildung. Wenn politische Bildung Kern von Schule ist kann sie nicht so stiefmütterlich behandelt werden. Demokratische Schulen ermöglichen Teilhabe, Mitbestimmung für alle die an Schule beteiligt sind. Demokratie heißt auch zu verantworten. Wer entschieden hat muss damit auch leben. „Wir Lehrkräfte brauchen mehr Partizipationsmöglichkeiten.“ Demokratie bedeutet auch Vertrauen in die Kompetenz von Menschen.

Die Weidenberger Mittelschule sorgte in herausragender Weise für die Verköstigung. Die Gucci-Band der Christian-Sammet-Mittelschule Pegnitz unter Leitung von Florian Berner umrahmte die Veranstaltung musikalisch. 

(Rainier Glissnik)