BLLV Oberfranken, Simone Fleischmann, Besuch, Bezirksvorstand
Rainer Glissnik

„Wenn das Herz hüpft, dann lerne ich“

BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann zu Gast bei der Bezirksvorstandssitzung des BLLV Oberfranken in Hof. In der Bildungspolitik muss sich Grundsätzliches ändern, forderte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Wir müssen ein weißes Papier vor uns hinlegen und darauf schreiben, was alles gut und richtig im Bildungssystem ist. Und dann was jetzt neu hinzukommen muss.“ Bezirkvorsitzender Henrik Schödel dankte der Präsidentin für deren enormes Engagement.

Seit den Landtagswahlen hat sich in der bayerischen Bildungspolitik einiges verändert, erklärte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann bei einer Bezirksvorstandssitzung des BLLV Bezirksverbands Oberfranken. Die Landesdelegiertenversammlung in Würzburg ab Christi Himmelfahrt komme genau zum richtigen Zeitpunkt. Es gehe um eine richtungsweisende Diskussion.

Die BLLV-Präsidentin erläuterte die aktuelle Situation. „Wir haben einen saustarken Ministerpräsidenten“, das sei eine Analyse. Der Mann will alles entscheiden und hat felsenfest die Zügel in der Hand. Er sucht aber auch die Nähe, weiß genau was er tut und ist bestens informiert. Die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen als Experten vor Ort und der BLLV als ihr Vertreter seien in der neuen politischen Landschaft gefragter denn je. Eine Riesenchance sieht sie darin. Man kann richtig gut mit dem Ministerpräsidenten reden. Er fummelt dann nicht am Handy herum während eines Gesprächs, er hört zu. Das beste Format sind Besuche mit Politikern in Schulen. Dort erleben diese was die Kolleginnen und Kollegen leisten, mit welchen Vorgaben sie zu Recht kommen müssen. „Wir müssen alles daran setzen zu erklären, was ist Schule und was will der BLLV erreichen.“ Gerade im Bereich der Integration habe der BLLV ganz klare Vorschläge.

Auf allen politischen Ebenen und gerade im Bildungsausschuss fragte die BLLV-Präsidentin die Akteure, was die von Kultusminister Piazolo angekündigte Ausweitung der Wirtschaftsschule mit sich bringt. „Haben Sie eigentlich eine Ahnung davon was dahinter steckt wenn Sie den Einschulungskorridor von jetzt auf gleich einführen?“ Welches Signal bedeutet dies für die Grundschule von morgen? Trotz sachlicher Kritik bezeichnete sie Kultusminister Professor Dr. Michael Piazolo als äußerst eloquenten Menschen, sehr schlauen Mann, der einen sehr guten Auftritt hat, der ordentlich kommuniziert als jemand, an dem sie erst Mal kein schlechtes Haar finden wolle. „Der Mann hat seit Jahren bewiesen, dass er zum BLLV kommt, dass er redet, Zeit hat, dass er intelligent ist, dass er kombinieren kann. Aber ganz genau weiß wie er argumentieren muss.“ Es wäre nicht fair dies wegen einzelner unterschiedlicher Meinungen zu vergessen. Jemandem der sein Amt wechselt müsse auch zugestanden werden, dass er in verschiedenen Dingen seine Sichtweise ändert.

Natürlich werde der BLLV immer auch heftig reagieren, wenn etwa Ankündigungen wie die zum Ausbau der Wirtschaftsschulen gemacht werden, die schlimme Folgen haben werden. Es war seine erste Entscheidung, die kann er selbst nicht zurücknehmen. Es war auch eine Watschen für alle Mittelschullehrer, ein Abkanzeln des Standings der Mittelschule, Sterben von Mittelschulen in einigen Regionen Bayerns. Im Wahlprogramm der Freien Wähler wurde eine Stärkung der ländlichen Regionen versprochen. Der Ausbau der Wirtschaftschulen werde das Gegenteil bewirken. Der BLLV werde gerade auch die FW-Bürgermeister ansprechen.

Der BLLV habe eine Umfrage bei Schul- und Kindergartenleitungen gemacht, was die überstürzte Einführung eines Einschulungskorridors für Folgen habe. „Es hat Auswirkungen.“ Längerfristig könne durchaus darüber geredet werden wie Flexibilisierung bei der Einschulung möglich ist. Der BLLV wird Sachentscheidungen immer mit Fakten unterlegt kritisieren. Persönlich schätze sie den Kultusminister sehr.

Bei der Landesdelegiertenversammlung würdige der BLLV den Kultusminister, der 20 Minuten zu den 650 Delegierten sprechen kann. Der Verband hoffe, dass der Kultusminister sich zum Motto der Landesdelegiertenversammlung „Herz, Kopf, Hand. Zeit für Menschen“ äußert. „Das Motto ist keine rosarote Wolke, nicht irgendetwas philosophisch-visionäres. Sondern knallharte dienstrechtliche, arbeitsplatzkonkrete, bildungspolitische, berufswissenschaftliche, in der Lehrerbildung verankerte Konsequenzen haben wird. Ganz und gar ist dieses Motto kein blumiges.“

Was beschäftigt uns an Themen? Was soll Schule und sollen Lehrerinnen und Lehrer jeden Tag alles leisten. Es gehe längst dauernd darum, was noch alles draufgesetzt werden kann. Und dann fordere der Ministerpräsident ein neues Fach „Alltagskompetenz“. Das ISB muss jetzt schon Lehrpläne ausarbeiten. Alltagskompetenz vom Schnürsenkelbinden über Versicherungsvertrag ausfüllen hin zur Bienenkompetenz und letztendlich demokratischen Persönlichkeit. Keiner weiß wo es hinführen und wer es unterrichten soll. Bislang galt all dies als Bestandteil des Unterrichts. Wir könnten einfach zustimmen und dann weitere Fächer wie Medienkritik, Demokratiepädagogik, Gesundheitserziehung, ein Fach Herz-Kopf-Hand. „Dann haben wir die Basis und lauter neue Fächer.“ Es gelte jetzt zu überlegen, ob wir alles Bisherige lassen und immer Neues draufsetzen oder ob wir grundsätzlich neu denken wollen. Im 21. Jahrhundert eine Schule schaffen für Kinder von heute für eine Gesellschaft von morgen. Eine Schule die macht was draußen gefragt ist – nicht allein die Wirtschaft. Sondern: Was braucht das Kind in zehn Jahren?

Auch „Fridays vor future“ hätte nicht besser passieren können als jetzt. Unzählige Interviews wurden bei Simone Fleischmann dazu angefragt. „Demokratiepädagogik“ sei die Beschlusslage des BLLV hierzu. „Politische Bildung.“ Einmal als ihr die vielen Anfragen reichten habe sie gesagt: Vielleicht fällt dann mal eine Stunde Physik aus. Wenig später erhielt sie darauf ein seitenlanges Schreiben von einem „Professor Doktor“, der ihr klar machte, wie die Welt durch den Ausfall einer Physikstunde zugrunde geht.

„Was machen Schülerinnen und Schüler jetzt von sich aus? Welcher Mumm steckt da dahinter? Welche Lust am Diskutieren? Welche Fachkompetenz? Wenn dann gesagt wird, drei Viertel derer wollten nur Schule schwänzen. Das ist eine arme Aussage – für den der sie sagt und sendet. Was für ein Menschenbild. Ist das nichts wert, was bei diesen „Fridays-for-future“-Veranstaltungen gemacht wird. Wer die Sachorientierung in der Schule hochhält findet diese Aktionen dämlich. Diese sagen, jede Stunde Physik rettet die Welt. Die total aussortieren. „Wer diesen Leistungsbegriff hat, kann ihn gerne vertreten – wir nicht. Wir sind überzeugt, dass Leistung sein muss. Dass Noten sein müssen. Das ist aber nicht alles. Wir müssen diskutieren, wie wir Leistung prüfen. Wie gehen wir damit um, einen vielleicht ganzheitlichen Bildungsbegriff zu finden? Es geht um ein Lernen das die Kinder brauchen. „Wenn das Herz hüpft, dann lerne ich“, daran sei viel Wahres. Wir müssten ein weißes Papier vor uns hinlegen und darauf schreiben, was alles gut und richtig ist. Und dann was jetzt neu hinzukommen muss.

Wir müssen miteinander ins Gespräch kommen, wir wollen mehr Dialog. Bei der Landesdelegiertenversammlung müsse gezeigt werden, dass wir Profis sind, die Schule von morgen zu diskutieren. Wir sind nur dann stark nach außen wenn wir eine starke Delegiertenversammlung sind mit Menschen, die genau das diskutieren wollen. Wir sind stolz auf 65 000 Mitglieder, deshalb sind es 650 Delegierte.

„Es ist beschämend, wie das Kultusministerium mit uns umgeht beim Einschulungskorridor“, fand Bezirksvorsitzender Henrik Schödel deutliche Worte. Viele Schulen erlebten derzeit die Auswirkungen hautnah. Er selbst erlebe, dass die Eltern von 18 Kindern kurzfristig entschieden, ihre Kinder noch nicht einschulen zu lassen. Da stirbt eine ganze Klasse. So können fehlende Lehrerinnen und Lehrer eingespart werden – aber auf dem Rücken der Schulleitungen, der Planungen und der Kindergärten, die plötzlich mehr Kinder haben. Dies sei einfach beschämend, wie der Einschulungskorridor eingeführt wurde. So etwas müsse länger geplant werden.

Die SPD machte eine Anfrage, wie viele Schulen in Bayern zusammenbrechen. In den letzten Jahren gab es 39 Schulschließungen. Es liegen erschreckende Zahlen vor. Die Politik selbst habe sich auf die Fahnen geschrieben, die wohnortnahe Schule zu stärken. Aktuell geschehe gerade das Gegenteil. So manche kleine Grundschule werde nun zugrunde gehen, wenn die Eltern sich kurzfristig für den Einschulungskorridor entschieden.